Gastbeitrag von Slavena Hristova-Rößler, Produktmarketingleiterin beim Automatisierungsexperten Abbyy
Intelligente Dokumentenverarbeitung liefert neuen Antrieb fürs ERP. Sie liest, versteht und verarbeitet geschäftsrelevante Informationen automatisiert. So gelangen Daten dorthin, wo sie gebraucht werden. Unternehmen sorgen damit für schnellere Prozesse, bessere Entscheidungen und mehr Effizienz.
In vielen Organisationen steckt ein großer Teil der wertvollsten Informationen in Dokumenten. Bestellungen, Rechnungen, Verträge oder Lieferscheine: Sie sind der Treibstoff für operative Prozesse. Doch dieser Treibstoff lagert oft ungenutzt in Archiven, Scans oder E-Mail-Postfächern. Bis heute werden solche Inhalte manuell erfasst oder nur teilweise digital verarbeitet. Das kostet Zeit, birgt Fehlerquellen und bremst digitale Workflows aus. Genau hier setzt die intelligente Dokumentenverarbeitung (IDP) an.
Was IDP kann – und warum es mehr ist als Texterkennung
IDP ist weit mehr als klassische OCR. Die Technologie analysiert Inhalte, erkennt Zusammenhänge, klassifiziert Dokumente und extrahiert strukturierte, normalisierte und validierte Informationen automatisiert. Möglich machen das Verfahren der künstlichen Intelligenz, maschinelles Lernen und Natural Language Processing (NLP). Somit ist IDP ein logischer Einstiegspunkt, um AI gezielt in die Unternehmensabläufe zu integrieren - effizient, regelkonform und mit hoher Zuverlässigkeit.
IDP funktioniert unabhängig vom Dokumenttyp. Es liest semi-strukturierte Rechnungen genauso zuverlässig wie unstrukturierte E-Mails oder handschriftliche Formulare. Das System versteht Inhalte kontextbezogen, etwa ob sich das Wort „Jaguar“ auf ein Tier oder ein Auto bezieht. Diese Fähigkeit verleiht der Technologie Urteilsvermögen – eine zentrale Voraussetzung für intelligente Automatisierung.
Wie IDP ERP-Systeme auf ein neues Level hebt
ERP-Systeme sind der Antrieb moderner Unternehmen. Doch sie brauchen qualitativ hochwertige und aktuelle Daten, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Genau hier bringt IDP seine Stärken ein. Es überführt Informationen aus verschiedensten Dokumentenformaten in strukturierte Datenströme – automatisch, präzise und in Echtzeit.
Die Wirkung zeigt sich entlang der gesamten Wertschöpfungskette:
- Produktionsplanung:
Materiallisten, Auftragsbestätigungen oder Lieferavise erreichen Unternehmen in vielen Formaten. IDP erkennt die Inhalte und liest sie maschinell aus. So wird eine vorausschauende, datenbasierte Planung möglich. Produktionsprozesse laufen stabiler und reagieren flexibler auf Veränderungen. - Einkauf und Beschaffung:
IDP macht Angebote und Lieferanteninformationen schneller verfügbar. Preise, Konditionen und Lieferzeiten lassen sich systemgestützt vergleichen, Bestellungen werden schneller ausgelöst. Die Datenbasis für Entscheidungen verbessert sich erheblich. - Rechnungsverarbeitung:
Statt Rechnungen manuell zu erfassen, extrahiert IDP Beträge, Steuersätze und Bestellnummern vollautomatisch. Das reduziert Fehler und beschleunigt die Prozesse in der Buchhaltung. - Logistik und Lieferkette:
Frachtbriefe, Zolldokumente oder Lieferscheine werden direkt beim Eingang verarbeitet. Lieferketten lassen sich dadurch transparenter steuern, Verzögerungen werden minimiert. - Controlling und Reporting:
Verträge, E-Mails oder interne Berichte enthalten oft entscheidungsrelevante Informationen. IDP macht diese Inhalte zugänglich und unterstützt Analysen und Forecasts.
Die gewonnenen Daten werden strukturiert ins ERP-System eingespeist. Dort stehen sie genau dann zur Verfügung, wenn sie für weitere Prozesse benötigt werden.
Die intelligente Dokumentenverarbeitung gibt Inhalten eine neue Rolle: Sie werden nicht mehr statisch betrachtet, sondern dynamisch genutzt. So werden sie zu einem entscheidenden Impulsgeber für automatisierte Prozesse und datengestützte Entscheidungen – auch für den Mittelstand.
Praxisbeispiele: Wenn Maschinen lesen lernen
Die Potenziale von IDP zeigen sich besonders deutlich im Unternehmensalltag. Ein Blick in verschiedene Branchen zeigt, wie sich mit intelligenter Dokumentenverarbeitung Prozesse beschleunigen und Ergebnisse verbessern lassen:
Früher setzte ein internationales Logistikunternehmen auf eine manuelle Bearbeitung von mehreren Hunderttausend Rechnungen im Jahr. Heute übernimmt eine IDP-Lösung die Erfassung und übergibt die Daten an das ERP – unabhängig von Sprache oder Layout. Das steigert die Effizienz um 70 Prozent und entlastet die Mitarbeiter.
Ein führender Versicherungsmakler nutzt IDP, um Schäden effizienter zu bearbeiten. Daten wie Fallnummern oder Kennzeichen werden automatisch extrahiert und dem ERP zugeordnet. Das spart Zeit und verbessert das Kundenerlebnis deutlich.
Die Technologie passt sich flexibel an. Mit zunehmender Digitalisierung wird die Fähigkeit, Inhalte automatisch zu verarbeiten, immer wichtiger. Sie schließt die Lücke zwischen eingehenden Informationen und systemgestützter Verarbeitung – und macht aus Dokumenten verwertbare Datenströme. Und das Beste: Diese Technologie ist nicht nur Großkonzernen vorbehalten. Auch mittelständische Betriebe können mit wenigen Dokumenten starten und Schritt für Schritt skalieren.
Was Unternehmen jetzt konkret tun können
Zunächst sollten die bestehenden Prozesse analysiert werden. Wo gibt es Engpässe? Welche Systeme sind bereits im Einsatz? Welche Dokumenttypen fallen regelmäßig an? Je vielfältiger die Formate – von Tabellen bis zu Handschrift – desto wichtiger ist ein leistungsstarkes und flexibles IDP-System.
Essentiell ist eine präzise Zielsetzung: Geht es beispielsweise darum, die Bearbeitungszeit einer Rechnung von derzeit zwei Stunden auf drei Minuten zu senken? Oder soll die Fehlerquote bei der Dateneingabe von 30 Prozent auf unter 1 Prozent reduziert werden? Je konkreter diese Ziele formuliert sind, desto passgenauer lässt sich die geeignete IDP-Lösung auswählen.
Nicht zuletzt sollte die Integration in bestehende ERP-Systeme frühzeitig berücksichtigt werden. Moderne Plattformen bieten standardisierte Schnittstellen, die den Aufwand reduzieren und eine schnelle Umsetzung ermöglichen.
Vom Lesewerkzeug zum Antriebssystem
ERP-Systeme sind auf Tempo ausgelegt. Doch ohne saubere Daten laufen sie nur im Leerlauf. Intelligente Dokumentenverarbeitung liefert den nötigen Treibstoff: präzise, strukturierte, zuverlässige Informationen – genau dann, wenn sie gebraucht werden.
Was früher mühsam von Hand ins System gelangte, fließt heute automatisiert und zuverlässig in den digitalen Motor der Organisation. Wenn Dokumente intelligent gelesen werden, entstehen daraus nutzbare Daten. Sie ermöglichen schnellere Entscheidungen, stabilere Abläufe und schaffen Freiräume für die Mitarbeiter. IDP zeigt, wie sich AI pragmatisch einsetzen lässt: ohne komplexe Modelle, aber mit messbarem Mehrwert.
Slavena Hristova ist Produktmarketingleiterin beim Automatisierungsexperten Abbyy. Sie begeistert sich für die Macht der AI-gesteuerten Automatisierung und die neue Art und Weise, wie Unternehmen mit Dokumenten und Daten umgehen.
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