Wann ist ein Hype ein Hype?

Beitrag von Axel Oppermann

Analyst bei Avispador

10. November 2025

Wann ist ein Hype ein Hype?  - Trendinterview mit Axel Oppermann 
Er ist einer der bekanntesten IT-Berater Deutschlands und hat seit dem Jahr 2000 praktisch jede Mode mitgemacht – zwangsläufig, wie er im Interview mit Beyond Buzzwords beteuert. Axel Oppermann zu SOA, Bitcoin und allen anderen Buzzwords, die Ihn und Sie schon lange nerven, allen voran die KI-Agenten. 

Axel Oppermann ist ein deutscher IT-Marktanalyst und Unternehmensberater. Er ist vor allem als Gründer des Beratungs- und Analystenhauses Avispador bekannt, dass sich auf die Unterstützung von IT-Anbietern, Unternehmens-ITs und Anwendern spezialisiert hat. In seiner Rolle als Vordenker bei Avispador verfolgt er globale Trends und Marktentwicklungen, um diese Erkenntnisse für die spezifischen Bedürfnisse seiner Kunden auf dem deutschen und europäischen Markt zu transformieren. Damit eignet sich Oppermann perfekt als Teilnehmer an unsrer Fragereihe zu Trends und Buzzwords in der IT. 

Herr Oppermann, welchen Hype haben Sie in Ihrer Karriere mitgemacht, obwohl er Sie eigentlich genervt hat? 

Oppermann: Instinktiv hätte ich „SOA” (Service Oriented Architecture) gesagt. „Damals“, so gegen 2003, war plötzlich alles „SOA-fähig“ – selbst der Drucker. In Wahrheit steckte dahinter oft nur ein ESB (Enterprise Service Bus), also klassische Integration mit neuem Etikett. Noch nerviger fand ich allerdings Blockchain. Ab 2015 wurde sie als Lösung für alles verkauft: für Banken, Lieferketten und die Verwaltung. Jeder Proof of Concept war angeblich die Revolution. Am Ende blieb der große Durchbruch aus – ein paar Nischen mal ausgenommen. Für mich ist das das beste Beispiel dafür, wie ein faszinierendes Prinzip durch Dauerhype mehr ermüden als inspirieren kann. 

Warum haben Sie das trotzdem mitgemacht? 

Ganz ehrlich: Man macht da automatisch mit. Wenn alle Kunden, Anbieter und Investoren über ein Thema reden, bleibt einem als Analyst nichts anderes übrig. Selbst wenn man denkt: ‚Schon wieder Blockchain, bitte nicht!‘ – man muss es durchdringen, erklären und einordnen. Am Ende ist genau das der Job: nicht den Hype lieben, sondern ihn übersetzen. 

Gab es in jemals einen Hype, den Sie so sinnlos fanden, dass Sie ihn nicht mitgemacht haben? 

Ich habe alles mitgemacht: jede Übertreibung, jede Niederung und jede Verwirrung. Warum? Weil Kunden eine Einordnung wollten und Anbieter ihre Story bestätigt sehen wollten. UND: Ich musste damit mein Geld verdienen. Am Ende kann man den Strom nicht mit Moral oder Enthaltung bezahlen. Mein Keller ist voll mit ‚Danke‘ – das wärmt vielleicht das Herz, aber sicher nicht die Wohnung. 

Wie haben Sie erkannt, dass dieser Hype nur ein Hype ist – und kein nachhaltiger Trend? 

Ein Hype ist daran zu erkennen, dass die Geschwindigkeit der Versprechen die Geschwindigkeit der Ergebnisse weit überholt. Wenn Anbieter schneller neue Schlagworte liefern als Kunden echte Use Cases umsetzen können, ist Vorsicht geboten. Für mich waren dabei immer drei Warnsignale entscheidend: Erstens, wenn plötzlich alle Anbieter „dabei“ sind, egal, ob die Technologie passt oder nicht. Zweitens, wenn die Pilotprojekte wie Pilze aus dem Boden schießen, aber kaum eines den Sprung in den produktiven Betrieb schafft. Und drittens, wenn die eigentliche Frage „Welches Problem lösen wir?” durch bunte Visionen ersetzt wird. Spätestens dann weiß man: Das ist Hype, kein nachhaltiger Trend. 

Gab es Hypes, die sich für Sie im Nachhinein als doch wertvoll herausgestellt haben – obwohl Sie anfangs skeptisch waren? 

Ja, absolut. Ein gutes Beispiel ist die Cloud. Anfangs war ich skeptisch, weil vieles nach klassischem Outsourcing mit neuem Etikett klang – nur teurer und komplizierter. Doch mit der Zeit hat sich gezeigt, dass Cloud die IT-Landschaften nachhaltig verändert, hat: von Geschäftsmodellen über Entwicklungszyklen bis hin zur Art, wie Unternehmen Innovation betreiben. Auch Mobile war so ein Fall. Am Anfang wirkte es wie eine Spielerei für Konsumenten, und dann wurde das Smartphone zum zentralen Steuerpult des digitalen Lebens. Solche Hypes zeigen: Manchmal steckt unter all dem Marketing-Overdrive tatsächlich ein fundamentaler Trend.

Welcher Hype bzw. welches Buzzword nervt Sie aktuell und warum? 

Was mich aktuell nervt, ist das Buzzword „Copilot“ [und "Agent"]. Es wird inflationär auf alles geklebt: CRM, ERP, Security, sogar Kaffeemaschinen. Dabei geht es nicht um „Piloten“, sondern um Agenten: eigenständige, proaktive Systeme, die Entscheidungen vorbereiten oder sogar autonom handeln. Der Begriff „Copilot“ suggeriert eine nette Assistenz, die immer brav wartet, bis der Mensch entscheidet. Die Realität ist jedoch längst weiter: Es geht in Richtung Agenten-Ökosysteme, die sich untereinander abstimmen und ganze Prozesse steuern. „Copilot“ klingt harmlos, ist aber eigentlich ein Feigenblatt, um die Tiefe und Sprengkraft des Agenten-Paradigmas nicht aussprechen zu müssen. 

Welches Thema hätte es verdient, zum Buzzword/Hype zu werden, aber von der Öffentlichkeit weitgehend ignoriert wird? 

Das eigentliche Buzzword, das niemand haben will, aber jeder braucht, heißt Identitäts- und Zugriffsmanagement für Maschinen und Agenten. Wir leben längst in einer Welt, in der Bots, APIs, Skripte und autonome Agenten die Mehrheit der digitalen Identitäten stellen und nicht mehr Menschen. Jede dieser Identitäten ist ein potenzielles Einfallstor: Wird sie kompromittiert, steht nicht nur eine App, sondern die gesamte Infrastruktur auf dem Spiel. Das ist der wahre Kern der digitalen Transformation: die Kontrolle über nicht-menschliche Entitäten. Doch weil es sperrig klingt, keinen glamourösen Avatar liefert und sich schwer auf eine Messebühne projizieren lässt, wird es ignoriert. 

Wie gehen Sie heute mit neuen Trends um, aktuell ist es ja die AI und ihre Agenten?

Ich rede Klartext, zeige Chancen und Risiken, fange Visionen ein – und reite trotzdem jeden Hype mit. Nicht weil ich ihn liebe, sondern weil ich es muss. 

Ist der Hype um AI bereits auf seinem Höhepunkt angekommen oder dürfen wir noch mehr erwarten? 

Der Hype um KI ist noch nicht auf seinem Höhepunkt – wir befinden uns vielmehr mitten im Steigflug. Bisher sind vor allem bunte Demos, Pilotprojekte und erste Produktivfälle zu sehen. Der wahre Test kommt erst, wenn die Technologie auf Regulierung, Governance und knallharte ROI-Fragen trifft. Erst dann entscheidet sich, ob KI ein nachhaltiger Trend ist oder nur der lauteste Hype der letzten 20 Jahre war. Ich erwarte daher mehr Euphorie und Chaos, gefolgt von einer brutalen Marktbereinigung. 

Was wird aus Ihrer Sicht das nächste große Buzzword bzw. der nächste große Hype? 

Der nächste Hype heißt „autonome Ökosysteme”. Schwärme verkaufen sich besser als Governance. Und „Quantum” bleibt das Buzzword, das seit zehn Jahren immer nur fünf Jahre entfernt ist. 

Herr Oppermann, wir bedanken uns sehr für das Gespräch! 

AxelZur Person Axel Oppermann: 

Axel Oppermann ist seit dem Jahr 2000 in der IT- und Telekommunikationsbranche tätig. Er hat sich als IT-Marktanalyst einen Namen gemacht, der Technologieunternehmen in strategischen Fragen und bei Marketingentscheidungen berät. Sein thematischer Schwerpunkt liegt auf der Analyse und Bewertung der strategischen Einführung von Produkten und Dienstleistungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT). 

Er arbeitet nicht nur als Berater, sondern teilt seine Expertise auch als Autor für diverse Blogs, Fachzeitschriften und als Kommentator in verschiedenen Videoformaten. Sein Fokus liegt auf Themen wie Social Enterprise, Cloud Computing und den Technologien von Microsoft. Er ist bekannt für seine kontroversen, aber stets humorvollen Vorträge, in denen er seine Erkenntnisse über die digitale Industrie teilt. 

Sein Unternehmen Avispador verfolgt einen unkonventionellen Beratungsansatz, der auf Geschwindigkeit, Klarheit und Wirkung abzielt. Das Unternehmen möchte nicht nur Berichte liefern, sondern auch bei der praktischen Umsetzung der Strategien helfen. 

 

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