Sind AI-Agenten nichts anderes als schlaue Apps?

Beitrag von Dr. Dietmar Müller

Chefredakteur Beyond Buzzwords

30. Mai 2025

 Beyond Buzzwords hat sich zur Aufgabe gemacht, hinter die gerade angesagten Schlagworte zu gucken – und so fragen wir uns heute, ob der Hype um AI-Agenten gerechtfertigt ist. Denn was ist ein Agent schon anderes als eine App, die mit AI angereichert wurde?

Es gibt eine Menge Menschen, die vorzugsweise im Marketing zuhause sind und diese Frage mit „viel mehr“ beantworten würden. Das muss aber nichts bedeuten. Im Folgenden machen wir uns selbst auf die Suche nach der Wahrheit und dröseln den Unterschied zwischen einer herkömmlichen App, einer AI-Anwendung und einem AI-Agenten auf.


Evolution oder Revolution?

Lassen Sie uns dafür zunächst einen Blick auf herkömmliche Apps lenken, wie wir sie alle seit Jahren auf dem Smartphone mit uns tragen:
Zuallererst sind sie tendenziell unflexibel, sie erfordert manuelle Updates und Benutzereingaben. Auch lassen sie sich nur sehr eingeschränkt an die Bedürfnisse des Anwenders anpassen. Sie sind eher unterkomplex aufgebaut und verrichten in der Regel einen Job bzw. eine einfache Aufgabe. Sie können sich nicht selbstständig verbessern und arbeiten innerhalb festgelegter Parameter.

Die nächste Stufe wurde mit Apps erreicht, die mittels AI cleverer wurden:
Diese AI-Apps lernen kontinuierlich hinzu und passen sich an immer wieder an neue Daten an. Sie automatisieren Aufgaben und geben Empfehlungen, auch passen sie ihre Interaktionen an einzelne Benutzer*innen an. Sie sind in der Lage, komplexe Szenarien wie die Verarbeitung natürlicher Sprache zu schultern und lernen hinzu –durch Algorithmen des maschinellen Lernens (ML) und direkte AI-Algorithmen.

Man könnte durchaus behaupten:
AI-Apps haben die Interaktion mit Technologie revolutioniert, die AI hat einen Quantensprung in Sachen Mensch-Maschine-Schnittstelle ermöglicht. Ein paar Beispiele gefällig? Im Gesundheitswesen beispielsweise unterstützen AI-Apps die medizinische Bildgebung und klinische Entscheidungsfindung. Im Bildungswesen automatisieren sie die Benotung und erstellen personalisierte Lernpläne. Auch Branchen wie die Automobil- und Reisebranche profitieren von AI-Apps durch vorausschauende Wartung und Echtzeit-Reiseinformationen. Allerdings konzentrieren sich AI-Apps noch oft auf bestimmte Aufgaben, ihr Anwendungsbereich bleibt einschränkt.

Und damit kommen wir zur nächsten (R)evolutionsstufe, den AI-Agenten. Sie zeichnen sich durch autonomes Agieren für das Erreichen definierter Ziele aus – also ganz ohne externe Eingriffe. Egal, ob es um die Steuerung von Verkehrssystemen oder von intelligenten Stromnetzen geht – AI-Agenten beweisen Unabhängigkeit, indem sie ihre Umgebung analysieren und daraufhin fundierte Entscheidungen treffen.

Im Gegensatz zu statischen AI-Apps passen Agenten also ihr Verhalten an neue Daten und veränderte Umstände an. Beispielsweise reinigt ein Saug- und Wisch-Roboter wie Roomba selbstständig Böden und passt seine Route an, um Hindernissen auszuweichen. AI-Agenten bewerten zudem ihren aktuellen Zustand, planen Aktionen und passen ihre Strategie an, um ein Ziel zu erreichen. Dieser zielorientierte Ansatz macht sie in dynamischen Umgebungen effektiv – und ein bisschen unheimlich.

Denn AI-Agenten lernen kontinuierlich hinzu. Moderne Chatbots verwenden beispielsweise Feedbackschleifen, um ihre Antworten durch die Analyse von Benutzerinteraktionen zu verbessern. Bilderkennungssysteme lernen aus Fehlern bei der Objektidentifizierung. Im Gesundheitswesen werden Diagnoseinstrumente durch die Untersuchung früherer Fehler weiterentwickelt. Selbstfahrende Autos passen sich durch Echtzeit-Feedback an veränderte Straßenbedingungen an und merken sich das.
Kurz: Sie ahmen menschliches Lernen nach, indem sie ihre Entscheidungsfähigkeiten iterativ verbessern.

 

Die Wahrheit liegt im Auge der betrachtenden Person

Lassen Sie uns zusammenfassen: Herkömmliche Apps erledigen eine einfache Aufgabe, und nur eine. AI-Apps konzentrieren sich auf spezifische, aber komplexe Aufgaben, wie die Analyse medizinischer Bilder oder die Empfehlung von Produkten. Ihr Anwendungsbereich beschränkt sich noch auf vordefinierte Funktionen. Des Weiteren basieren AI-Apps auf vorprogrammierten Algorithmen zur Entscheidungsfindung. Sie funktionieren gut in strukturierten Szenarien, haben aber Schwierigkeiten mit unstrukturierten Daten.

AI-Agenten hingegen zeichnen sich durch die Nutzung kognitiver Architekturen wie ReAct oder Chain of Thought aus. Diese Frameworks ermöglichen es Agenten, iterativ zu denken, zu handeln und sich anzupassen. Beispielsweise nutzen autonome Fahrzeuge Echtzeitdaten für ihre Entscheidungen und gewährleisten so eine sichere Navigation auch unter unvorhersehbaren Bedingungen.

AI-Agenten verfügen zudem über einen breiteren Funktionsumfang. Sie integrieren Tools und interagieren mit externen Systemen, um komplexe Ziele zu erreichen. Beispielsweise plant ein AI-Agent im Projektmanagement nicht nur Aufgaben, sondern verteilt auch Ressourcen je nach Fortschritt neu.

Die nächste Stufe werden Agenten-Armeen sein, wie sie zum Beispiel Microsoft in seiner Vision eines „Open Agentic Web“ andenkt. Dabei interagieren AI-Agenten im orchestrierten Verbund, gemeinsam treffen sie Entscheidungen und handeln als Gruppe, um komplexe Ziele zu erreichen.

Wir halten also fest:
Ja, AI-Agenten gehen über AI-Apps hinaus, genauso wie diese über herkömmliche Apps hinausgehen. Man kann sie als evolutionäre Fortsetzung des App-Modells betrachten, kann sie aber auch aufgrund ihres stark erweiterten Funktionsumfanges auch als neue und eigene Klasse betrachten. So manches Buzzword ist oft nur Marketing-Getöse, gelegentlich hat es aber seine Berechtigung. In diesem Fall ist es Ansichtssache:

Eigentlich handelt es sich um eine einfache, evolutionäre Entwicklung, wie wir sie in der IT schon x-Mal gesehen haben: Anwendungen oder Systeme starten einfach und werden dann immer komplexer. Aber die Geschichte mit den Agenten verkauft sich einfach so gut, dass wir bei Beyond Buzzwords die neue Terminologie gerne übernehmen.
Wir wissen es ja besser .

 

 

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