Der industrielle Mittelstand kämpft

Beitrag von Dr. Dietmar Müller

Chefredakteur Beyond Buzzwords

10. Dezember 2025

Das Industriebarometer 2025 von Forterro zeigt: Sicherheitsbedenken und Fachkräftemangel bremsen die digitale Transformation.


Deutschlands industrielle Mittelständler müssen ihre digitale Transformation vorantreiben, stoßen dabei jedoch auf massive Hürden. Das zeigt das neue „Industriebarometer“ des europäischen Softwareanbieters Forterro. Die größten Bremsklötze sind demnach Sicherheitsbedenken bei Cloud-Lösungen (42 Prozent), fehlende digitale Fachkräfte (40 Prozent), zögerliches Verhalten bei Entscheidungen für einen geeigneten Anbieter (38 Prozent) und der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Mit 32 Prozent ist dieser Wert im internationalen Vergleich in Deutschland am höchsten.

„Deutschland hat eine starke industrielle Basis – aber beim Einsatz moderner Technologien droht der Mittelstand ins Hintertreffen zu geraten“, so Thomas Knorr, Vice President Cloud Transformation bei Forterro. „Unsere Studie zeigt: Die Bereitschaft ist da, doch es fehlt oft an Know-how, klaren Strategien und Mut, neue Technologien konsequent einzusetzen.“

Im ERP-Barometer 2024 hatte Forterro bereits festgestellt, dass KMU beim Schritt in die Cloud zögern – vor allem aus Datenschutzgründen. 2025 zeigt sich: Die Bedenken sind geblieben, die Cloud-Nutzung ist nur moderat gestiegen, und der Fachkräftemangel hat sich verschärft.

Cloud bleibt ungenutzte Chance

Laut der Befragung setzen derzeit 42 Prozent der deutschen industriell geprägten Mittelständler auf Cloud-ERP, 31 Prozent auf hybride Modelle und 24 Prozent weiterhin auf On-Premises-Lösungen. Für die Zukunft zeichnet sich ein Trend zu hybriden Modellen ab (40 Prozent), während der reine Cloud-Anteil leicht auf 36 Prozent sinken könnte.

Bemerkenswert: 60 Prozent der deutschen Unternehmen sehen den Verzicht auf Cloud-Technologien als ungenutzte Chance – der höchste Wert in Europa. 56 Prozent der Befragten geben an, dass ihre Organisation daher nicht von den Vorteilen von KI und generativer KI profitiert. Gleichzeitig nennen 42 Prozent Sicherheits- und Datenschutzbedenken als Haupthindernis für die Cloud-Nutzung – ebenfalls europäische Spitze.

„Das Sicherheitsargument ist in Deutschland besonders stark ausgeprägt“, erklärt Knorr. „Dabei zeigt unsere Erfahrung, dass moderne Cloud-Lösungen gerade im Bereich Datenschutz und Compliance oft überlegen sind.“

Skills Gap bremst Wachstum

Die Studie offenbart einen akuten Fachkräftemangel: 41 Prozent der Befragten geben an, dass der Fachkräftemangel bereits ihr Unternehmenswachstum oder neue Projekte im vergangenen Jahr gebremst hat. 51 Prozent der deutschen Unternehmen sehen die größten Lücken im Bereich Cybersecurity (Durchschnitt im internationalen Vergleich: 41,5 Prozent). 46 Prozent fehlt es an KI-Kompetenz, 44 Prozent an ERP-Know-how. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) ist nicht zuversichtlich, in den nächsten Jahren ausreichend digitale Talente rekrutieren zu können – deutlich über dem internationalen Schnitt (37 Prozent).

Digitale Transformation stockt

Nur etwa die Hälfte (51 Prozent) der deutschen Unternehmen verfügt über eine digitale Transformations-Roadmap. 31 Prozent bewerten ihre Fortschritte der letzten drei Jahre als „schlecht“, 35 Prozent als „nur ausreichend“. Besonders zurückhaltend in Bezug auf digitalen Wandel zeigen sich die Bereiche Produktion (42 Prozent), Finanzen (41 Prozent) und HR (41 Prozent).

Compliance und DPP im Fokus

Mit Blick auf die kommende EU-Regulierung zur Digital Product Passport (DPP)-Initiative zeigt sich: Nur 42 Prozent der deutschen Unternehmen wissen, was DPP ist und welche Anforderungen es mit sich bringt; 51 Prozent fühlen sich auf die Umsetzung vorbereitet. Die größten Hürden sind fehlende Compliance-Ressourcen (51 Prozent), komplexe Anforderungen (45 Prozent) und mangelnde Orientierungshilfen (43 Prozent). Gleichzeitig planen deutsche Unternehmen, im Schnitt 37.369 Euro in die DPP-Umsetzung zu investieren – der höchste Wert in den befragten Ländern.

„Die Zahlen sind ein Weckruf“, betont Knorr. „Wer jetzt nicht in digitale Kompetenzen, moderne ERP-Architekturen und Compliance investiert, riskiert Wettbewerbsnachteile – national wie international.“

Methodik

Die Studie wurde von Censuswide unter 1.252 leitenden Entscheidungsträgern für ERP-Systeme in Industrieunternehmen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Schweden und Spanien durchgeführt. Die Unternehmensgrößen reichten von einem bis zu 500 Mitarbeitenden. Die Datenerhebung erfolgte im Zeitraum vom 22. August bis zum 2. September 2025. Censuswide hält sich an die Richtlinien der Market Research Society, beschäftigt deren Mitglieder und hält den MRS-Verhaltenskodex sowie die ESOMAR-Prinzipien ein.

 

 

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