Big Data out, SymbioBotics in

Beitrag von Dipl. Ök. Bernd Hilgenberg

06. November 2025

Big Data out, SymbioBotics in - Trendinterview mit Bernd Hilgenberg
Beyond Buzzwords hat Business-Leser und IT-Aktivisten zu Trends und Moden in der Branche befragt. Die Antworten fallen spektakulär aus – heute erläuterte der bekannte deutsche Consultant Bernd Hilgenberg, welche Buzzwords seine Karriere begleiteten – und wie er sie teilweise zu verachten lernte. 

Big Data, Second Life, Artificial Intelligence (AI), Data Fabric... und SymbioBotics. Bernd Hilgenberg hat sich in seiner Karriere schon mit unzähligen Buzzwords herumgeschlagen. Er zählt zu den renommiertesten IT-Consultants und Management-Beratern in Deutschland und beschäftigt sich seit fast 30 Jahren mit Digitalisierung. Nun hat er sich den Fragen von Beyond Buzzwords zu mehr oder weniger erfolgreichen Moden und Trends in der IT gestellt. Ein extrem aufschlussreiches Interview! 

Herr Hilgenberg, welchen Hype haben Sie in Ihrer Karriere mitgemacht, obwohl er Sie eigentlich genervt hat? 

Hilgenberg: Ein Hype, der mich wirklich genervt hat, war "BigData". Ich hatte bereits vorher mit umfangreichen Datenmengen zu tun und wusste welche besonderen Herausforderungen das Handling großer Datenmengen mit sich bringt. Zu dieser Zeit wurde dann ein Wort für etwas erfunden, was bereits vorher lange bekannt war und aus Sicht der IT ein eher handwerklicher Prozess ist. Mit dem Aufkommen von BigData als Hype wurde dieses Thema auf die Ebene eines Heilsversprechens gehoben. Es hatte mich genervt, weil Selbstverständlichkeiten auf einmal so stark in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt wurden. Wer hatte sich vorher außerhalb der IT mit dem Thema Daten beschäftigt? Jetzt war auf einmal jeder Spezialist bei dem Thema und fühlte sich bemüßigt einen Beitrag dazu zu leisten. Gerade die Beiträge von den fachfremden sog. "Experten" waren für die, die den meisten Unsinn enthielten. 

 Warum haben Sie ihn trotzdem mitgemacht? 

Ich das gerne mitgenommen, weil der Hype dazu geführt hatte, dass für dieses Thema nicht nur eine breitere Sensibilität geschaffen wurde. Es war für mich als IT-Verantwortlichen auch deutlich leichter zu dieser Zeit Budgets für Arbeiten an diesem Thema zu erhalten. Aus diesem Grunde habe ich den nervigen Aspekt dieses Hypes gerne mit in Kauf genommen.  

Gab es in jemals einen Hype, den Sie so sinnlos fanden, dass Sie ihn nicht mitgemacht haben? 

 Als die ersten Brillen mit Kameras auf den Markt kamen, war mir klar, das wird nichts. Als ich dann den Spruch las: "Don´t be a Glashole", da war mich klar, dass ich mit meiner Einschätzung bei diesem kurzen Hype nicht falsch lag. Langsam scheint das Thema wieder Fahrt aufzunehmen. Ob es sich diesmal etablieren wird? Ich bin da skeptisch.    

Wie haben Sie erkannt, dass dieser Hype nur ein Hype ist – und kein nachhaltiger Trend? 

Es gibt untrügliche Muster, die auf fehlende Nachhaltigkeit klare Hinweise liefern. Dies ergibt die Kombination aus großen Versprechungen, wenig Substanz in Verbindung mit fehlenden oder schwachen Praxisanwendungen. Wenn dann noch ein kaum messbarer Mehrwert hinzukommt, ist der Hype ohne Nachhaltigkeit perfekt. Aus meiner Sicht kann das jeder für sich selbst bei neuen Trends immer mal wieder für sich selbst verproben. Ich persönlich habe damit immer ein gutes Gefühl für die neue Sau bekommen, die wieder durchs Dorf getrieben wird. 

Gab es Hypes, die sich für Sie im Nachhinein als doch wertvoll herausgestellt haben – obwohl Sie anfangs skeptisch waren? 

Ich war einer der ersten Bewohner von Second Life. Damals dachte ich, das Thema virtuelle Realität wäre schon so weit. Bereits nach kurzer Zeit bemerkte ich, dass hier Wunsch und Wirklichkeit noch weit auseinanderklaffen. Die Technik konnte den Anspruch zum damaligen Zeitpunkt nicht in Ansätzen erfüllen. Ich habe mich dann recht schnell aus dem Thema zurückgezogen. Immer dann, wenn es neue Anläufe zum Thema virtuelle Realität gab, konnte man gut feststellen, dass sich die Technik weiterentwickelt hat. Bis heute ist das Thema immer noch von einer Alltagstauglichkeit weit entfernt. Allerdings hat mir gezeigt, dass die Grundideen von Second Life ein wichtiger Baustein für dieses Thema waren. Mangelnde technische Bereitschaft sollte kein Hindernis sein, sich den Aufgaben und Herausforderungen zu stellen. Nur auf diese Weise kann man lernen. Ich denke, die virtuelle Realität wird kommen. Es wird nur noch etwas dauern, bis die letzten technischen Hürden beseitigt sind. 

Welcher Hype bzw. welches Buzzword nervt Sie aktuell und warum? 

Ich kann das Wort AI nicht mehr hören. Wie bei jedem Trend tönt es aus allen Ecken. "Wer jetzt nicht sein Unternehmen, seine Arbeit, sein Leben nicht komplett auf AI umstellt, ist morgen nicht mehr dabei." Ich höre solche Rufe seit über 30 Jahren. Zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit vollzog sich der Wechsel in der Entwicklung hin zu Objektorientierung. Alles musste auf einmal objektorientiert sein. Dann kam das Thema Projektmanagement auf. Jede kleinste Tätigkeit war auf einmal ein Projekt. Dann musste auf einmal alles im Leben agil sein. Ich nehme solche Lärmpegel nur noch als Geräusche wahr. Sie leiten mein Handeln nicht. Veränderungen müssen sich an den Realitäten des Marktes verproben lassen. Die Geschwindigkeit des Marktes, auf solche Änderungen zu reagieren, unterscheidet sich deutlich von der, den die Marktschreier der Veränderung uns glauben machen wollen. 

Welches Thema hätte es verdient, zum Buzzword/Hype zu werden, aber von der Öffentlichkeit weitgehend ignoriert wird? 

Für mich ist es klar die Data Fabric. Das ist ein integriertes Datenmanagement-Framework, welches Daten aus unterschiedlichsten Quellen - On-Premises, Cloud, SaaS - nahtlos verfügbar macht. Heute liegen die Daten vieler Unternehmen an den unterschiedlichsten Orten. Um diese Daten zu konsolidieren sind aufwändige ETL-Prozesse notwendig. Das Ziel einer Data Fabric ist es, Daten dort nutzen, wo sie entstehen, ohne aufwändige ETL-Prozesse. Es klingt auf den ersten Blick wie nach „Data Lake 2.0“. Leider wirkt es für viele wie ein rein internes IT-Thema und ist schwer als greifbare Innovation zu verkaufen. Aus meiner Sicht könnte das aber der entscheidende Hebel für echte AI-Strategien sein, da AI nur so auf aktuelle und saubere Daten zugreifen kann. 

Wie gehen Sie heute mit neuen Trends um? Aktuell ist es die AI und ihre Agenten?

Wie bei jedem neuen Trend schaue ich mir die Themen genau an. Für mich geht es um die wertschöpfende Alltagstauglichkeit von neuen Themen. Manche sind eher aus technischer Sicht faszinierend. Damit lässt sich aber kein Geld verdienen. Es sind mehr akademische Übungen, die auch viel Spaß machen können. Beim dem sich immer weiter ausbreitenden Thema AI habe ich schon lange den Überblick verloren. Letztens hatte ich einen YouTube Channel zu diesem Thema angeschaut. Der Sprecher begann sein Video mit den Worten "In der letzten Woche gab es keine bahnbrechenden Entwicklungen...". Wenn sich jetzt bahnbrechende Entwicklungen in diesem Bereich auf Wochen reduzieren, zeigt dies, wie dynamisch aktuell die Entwicklung ist. 

Ist der Hype um AI bereits auf seinem Höhepunkt angekommen oder dürfen wir noch mehr erwarten? 

AI steckt erst in den Kinderschuhen und am Anfang. Aktuell sind die LLMS nichts weiter als Gefäße, die von außen gefüttert werden müssen. Ohne Stoff von außen werden diese Systeme nicht intelligenter. Der nächste große Schritt, den die Fachwelt erwartet sind LLMs, die sich selbst optimieren und aus dieser Optimierung neue Erkenntnisse schöpfen. Also eine AI, die sich selbst optimiert und dadurch intelligenter wird. Aktuell wird an vielen Stellen an diesem Thema gearbeitet. Sollte das gelingen, wird dadurch eine ganz neue Stufe bei diesem Thema erreicht werden. Ich vermute, wir werden die ersten Ansätze in der nächsten Zeit bereits erleben. 

Was wird aus Ihrer Sicht das nächste große Buzzword bzw. der nächste große Hype? 

Aus meiner Sicht wird "SymbioBotics" der nächste große Hype werden. Aktuell wird viel an humanoiden Robotern geforscht. Die Fortschritte in den letzten Jahren sind sehr erstaunlich. Woran es allerdings noch krankt, ist die Steuerung der Roboter. Heute sind noch Steuerkonsolen notwendig, um dem Roboter zu sagen was er zu tun hat. In der nächsten Zukunft werden wir erleben, dass Roboter durch menschliche Interaktion gesteuert werden. So wie wir es z. B. bei Kindern machen.  Aus diesem Grunde denke ich, dass die Symbiose, also das enge, vorteilhafte Zusammenwirken von Mensch und Maschine zu einem neues Buzzword führen wird.  

"Symbio" steht für Symbiose, und Botics" für Robotics mit AI. Dies suggeriert, dass Mensch und Roboter nicht mehr als getrennte Einheiten, sondern als symbiotisches System agieren. Die Grenzen zwischen Menschen und AI-gesteuertem Roboter werden auf diese Weise immer mehr verschwimmen. Die Roboter der Zukunft werden gesteuert durch natürliche Interaktion, wie Gesten, Sprache, Emotion und vielleicht in Zukunft sogar durch Gedanken.  

Herr Hilgenberg, wir bedanken uns sehr für das Gespräch! 

BerndZur Person Bernd Hilgenberg: 

Bernd Hilgenberg hat in seinem Leben schon viele Unternehmensprozesse und -Strategien mit IT verbessert. Seiner Beobachtung nach ging es früher primär um die Optimierung von Abläufen, heute ist es viel stärker notwendig, die Unternehmensstrategie mit den Herausforderungen der Digitalisierung intelligent zu verbinden.  

Ein großes Anliegen ist dem ehemaligen Technologievorstand das Unternehmergespräch. Es ist ihm wichtig, den Transformationsprozess der IT vom Kosten- hin zum Wertschöpfungsfaktor aktiv mit zu begleiten. Seine Aufgabe sieht er nicht zuletzt darin, als neutraler Sparringspartner dem Unternehmer bzw. dem Top-Management zur Seite zu stehen. 

 

 

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