Ein neues Datenzeitalter beginnt

Beitrag von Dietmar Müller

Chefredakteur Beyond Buzzwords

25. April 2025

Die Fertigungsindustrie gehört zu den Branchen mit dem größten AI/ML-Verkehr – stand im Jahr 2024 die generative AI noch im Mittelpunkt, so gehört das Jahr 2025 der agentenbasierten AI.

Aber egal welche Form der AI gerade dominiert: Das wichtigste bleiben die Daten.

 

Die Nutzung von künstlich intelligenten Tools in Unternehmen hat im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 3000 Prozent (!) zugenommen. Die Finanz- und Versicherungsbranche sowie die Fertigungsindustrie generieren den meisten AI/ML-Verkehr mit 28,4 Prozent bzw. 21,6 Prozent, gefolgt vom Dienstleistungssektor (18,5 Prozent), dem Technologiesektor (10,1 Prozent), dem Gesundheitswesen (9,6 Prozent) und Behörden (4,2 Prozent). Das ist das Ergebnis des jährliche „ThreatLabz 2025 AI Security“-Reports des Security-Experten Zscaler.

Noch ist ChatGPT die beliebteste AI/ML-Anwendung, auf die fast die Hälfte aller entsprechenden Transaktionen (45,2 Prozent) entfällt. „Daten sind das Gold für AI-Innovationen“, so Deepen Desai, Chief Security Officer bei Zscaler. „Deren Sicherheit erfordert einen bewussten Umgang mit den Tools.“ Denn bei ChatGPT handle es sich auch um das am meisten geblockte Tool, da Unternehmen zunehmend Bedenken hinsichtlich der Offenlegung sensibler Daten und einer nicht genehmigten Nutzung hätten.

Zu weiteren sanktionierten Anwendungen gehörten Grammarly, Microsoft Copilot, QuillBot und Wordtune. All diese Tools deuteten auf das Anwendungsfeld für AI-gestützte Inhaltserstellung und Produktivitätssteigerung hin, so Desai. Unternehmen hätten im Untersuchungszeitraum mit insgesamt 3.624 TB erhebliche Datenmengen an AI-Tools gesendet. Das mache deutlich, wie stark diese Technologien in den Betrieb Einzug gehalten haben.

Der Aufstieg der autonomen „Super-Assistenten“

AI-Agenten stellen eine bedeutende Entwicklung in der Anwendung von großen Sprachmodellen (LLMs) dar. Im Gegensatz zu herkömmlichen LLMs integrieren diese fortschrittlichen Systeme „Denken, Planen und Ausführen“, so Eva Jaidan, Head of Data Analytics & AI, Mega International. Ergänzt durch Retrieval-Augmented Generation (RAG) könnten sie sogar auf aktuelle, kontextbezogene Informationen zugreifen.

Eva Jaidan, Head of Data Analytics & AI, Mega International (Bildquelle: Eva Jaidan / LinkedIn)

„Neben der Texterstellung können AI-Agenten auch APIs, Websuchen und Datenbanken nutzen, um komplexe Aufgaben auszuführen und in Echtzeit zu interagieren. Diese Fähigkeit eröffnet branchenübergreifend neue Möglichkeiten, insbesondere in den Bereichen Logistik, Verwaltung und Recht, wo AI-gesteuerte Automatisierung komplizierte Prozesse rationalisiert, große Datensätze analysiert und optimierte Lösungen liefert“, so Jaidan. „Ihre Fähigkeit, zu verstehen, zu recherchieren und Erkenntnisse zu gewinnen, ist besonders beeindruckend, wenn sie auf bestimmte Fachgebiete zugeschnitten ist.“

Erste, groß angelegte Tests hätten bereits bemerkenswerte Ergebnisse geliefert, insbesondere in Branchen wie dem Rechtswesen, wo AI-Agenten arbeitsintensive Aufgaben wie die juristische Recherche und Dokumentenanalyse rationalisieren könnten. Durch den Einsatz fortschrittlicher, natürlicher Sprachverarbeitung verbesserten diese Systeme sowohl die Genauigkeit als auch die Effizienz – das setze Fachkräfte für komplexere, hochwertige Arbeiten frei.

 

AI gestaltet Geschäftsabläufe um

Laut Beobachtung von Jaidan arbeiten Technologieunternehmen aktuell mit Hochdruck an der Entwicklung autonomer Agenten, die ein breites Spektrum von Geschäftsfunktionen automatisieren können. Agentforce von Salesforce sei ein gutes Beispiel für einen Agenten, der Kundenservice, Vertrieb, Marketing und Handel unterstützen und sowohl die betriebliche Effizienz als auch die Kundenzufriedenheit steigern könne.

„In ähnlicher Weise erleichtert Agent.AI von HubSpot die Zusammenarbeit zwischen AI und menschlichen Teams in den Bereichen Marketing, Vertrieb, Kundenservice und Betrieb“, so Jaidan weiter. „Agent.AI ist weit mehr als ein virtueller Standardassistent: Diese Lösungen der nächsten Generation verändern Geschäftsprozesse durch die Integration von AI-gesteuerter Entscheidungsfindung und Automatisierung.“

Als nächstes aber werde Google Agentspace die Produktivität von Unternehmen verändern, indem es die Verarbeitung unstrukturierter Daten - wie E-Mails und Dokumente - in Angriff nimmt und vordefinierte Konnektoren für Plattformen wie Google Drive, Jira und Microsoft SharePoint bietet. „Die anpassbaren AI-Agenten erweitern den Umfang der Automatisierung“, kommentierte Jaidan.

Doch trotz ihrer zunehmenden Komplexität seien AI-Agenten kein Ersatz für menschliches Fachwissen. Kritische Entscheidungen und Prozesse, bei denen viel auf dem Spiel steht, bedürften nach wie vor der menschlichen Aufsicht, um sicherzustellen, dass AI-gesteuerte Aktionen mit den Standards für Genauigkeit, Ethik und Verantwortlichkeit übereinstimmen.

 

Daten-Integration ist das A und O

Um das volle Potenzial von AI-Agenten zu erschließen, sei eine nahtlose Integration in das Unternehmensinformationssystem notwendig. Eine unzureichende Integration könne zu Ungenauigkeiten, Verzerrungen und Inkonsistenzen führen, was letztlich die unternehmerische Effektivität einschränke. Ein sicherer und strukturierter Echtzeit-Zugriff auf kritische Daten sei für die Maximierung ihres Wertes von grundlegender Bedeutung.

Eine wirksame Integration beginne mit gut strukturierten und ordnungsgemäß verwalteten Daten. Hochwertige, indizierte und zugängliche Informationen verbessern die AI-Leistung, während die Kontextualisierung der Daten die Genauigkeit und Zuverlässigkeit erhöhe. „Ohne eine angemessene Datenverwaltung laufen AI-Agenten Gefahr, fehlerhafte oder irreführende Entscheidungen zu treffen“, sagte die Datenexpertin.

Zudem müssten Sicherheit und Vertraulichkeit weiter Priorität haben. AI-Agenten sollten denselben rollenbasierten Zugriffskontrollen unterliegen wie Mitarbeiter, um die Einhaltung interner Richtlinien zu gewährleisten und sensible Informationen zu schützen. Bei alledem spiele die Unternehmensarchitektur die zentrale Rolle, sie sei entscheidend für die nahtlose Integration von agentenbasierter AI. „Durch die Abbildung von IT-Systemen, Prozessen und Geschäftsfunktionen können Architekten bestimmen, mit welchen Systemen AI verbunden werden sollte, wo sie den größten Wert schaffen kann und wie Initiativen mit den strategischen Zielen des Unternehmens in Einklang gebracht werden können“, erklärte Jaidan. Dieses Vorgehen baue auf früheren architektonischen Transformationen auf, wie etwa Digitalisierung, Cloud Computing und das Internet of Things (IoT).

 

Beginn einer neuen Ära

„Die agentenbasierte AI bringt jedoch neue Herausforderungen mit sich, darunter das Bias-Management, die Entscheidungstransparenz und die Governance von AI-Modellen. Die erfolgreiche Bewältigung dieses Wandels erfordert einen rigorosen, funktionsübergreifenden Ansatz, der IT-, AI-Spezialisten und Unternehmensleiter zusammenbringt, um die Ausrichtung an den Unternehmenszielen sicherzustellen“, gibt die Managerin die Richtung vor. Neben den technischen Implikationen bringe der Einsatz von AI-Agenten auch kulturelle, ethische und rechtliche Überlegungen mit sich. Unternehmensarchitekten müssten diese Komplexität antizipieren und sicherstellen, dass die Einführung von AI mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und den Unternehmenswerten im Einklang stehe.

„Generative AI hat die Art und Weise, wie wir arbeiten, bereits verändert, aber der Aufstieg der agentenbasierten AI stellt eine noch tiefere Veränderung dar. Im Gegensatz zur traditionellen AI gehen diese intelligenten Agenten über die Automatisierung hinaus - sie übernehmen menschenähnliche Verantwortlichkeiten und Entscheidungsfunktionen und stellen damit lange etablierte Normen in Frage“, fasst Jaidan zusammen. „Die Auswirkungen sind tiefgreifend. AI-Agenten sind im Begriff, ganze Branchen umzugestalten, indem sie die Aufgabenbereiche verändern und die Arbeitsabläufe in allen Sektoren neu definieren.“

Gleichzeitig müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen auf Vordermann gebracht werden. Selbst Rechtsvorschriften wie das europäische AI-Gesetz erfassten nicht vollständig die Komplexität dieser autonomen Systeme und hinterlassen laut Jaidan eine rechtliche Grauzone. „Wir treten in eine Ära ein, in der AI-Agenten nicht mehr nur Werkzeuge sind, sondern integrierte Mitglieder der Belegschaft, die sorgfältig verwaltet und orchestriert werden müssen. Dieser Wandel hat das Potenzial, Agilität, Effizienz und Leistung zu verbessern, aber nur, wenn diese Systeme strategisch, ethisch und nahtlos implementiert werden.

 

 

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