„Die große Cloud-Lüge“
Beyond Buzzwords hat in den vergangenen Tagen ausführlich erörtert, ob der schnelle Weg in die Cloud tatsächlich auch der beste ist für die deutsche Fertigungsindustrie, namentlich die vielen mittelständischen Unternehmen. Klare Worte zu dem Thema fand nun Andreas E. Thyen, Verwaltungsratspräsident der LizenzDirekt AG.

Die LizenzDirekt-Gruppe ist einer der führenden europäischen Händler gebrauchter Software-Lizenzen. Das Unternehmen mit Standorten in der Schweiz, Österreich sowie Deutschland kauft und verkauft Volumenlizenzen für Unternehmenssoftware und Betriebssysteme in den Segmenten Geschäftskunden und Behörden.
Für Verwaltungsratspräsident Andreas E. Thyen sind die Versprechungen der großen Cloud-Provider „Lügen“. Hinter den Versprechen von Skalierbarkeit, Flexibilität und ständiger Innovation verbergen sich seiner Meinung nach erhebliche, wirtschaftliche Risiken, die den Anwender in eine teure Falle locken wollen.
Andreas E. Thyen, Verwaltungsratspräsident der LizenzDirekt AG (Bild: LizenzDirekt)
Vor allem SAP lockt
„Seit Jahren wird uns von IT-Giganten und Beratungsfirmen eingetrichtert, dass die Zukunft sämtlicher Datenverarbeitung in der Cloud liege. Große Anbieter wie Microsoft, SAP, Google und Amazon Web Services oder auch VMware drängen ihre Kunden zielgerichtet in die Cloud“, so Thyen.
„Insbesondere SAP hat in den vergangenen Jahren traditionelle On-Premise-Nutzer aktiv dazu bewegt, auf die eigenen Cloud-Dienste umzusteigen – ein Schritt, der den Zugang zu vermeintlich innovativen Funktionen behauptet, aber gleichzeitig mit erheblichen, laufenden Kosten und neuen Risiken verbunden ist.“
Unternehmen und Behörden seien in eine kaum noch lösbare Abhängigkeit geführt worden. Steigende Wartungsgebühren, undurchsichtige Preismodelle und kontinuierliche Anpassungen bei den Kostenstrukturen erschweren eine verlässliche langfristige Budgetplanung. Folgende konkrete Aussagen betrachtet Thyen als „Lügen“:
- Die Cloud ist eine kostengünstige Alternative zur klassischen IT. Die Die Realität sehe aber so aus, dass Provider zunächst mit günstigen Einstiegspaketen lockten. „Hat man erst einmal Zeit und Ressourcen investiert, um die Workloads in die Cloud zu migrieren, ändern sich die Preismodelle in der Zukunft. Preiserhöhungen oder zusätzliche Gebühren für Datentransfer, Storage-Kapazitäten oder spezielle Analysefunktionen treiben die Kosten in die Höhe. Versteckte Zusatzkosten und intransparente Preismodelle erschweren es Unternehmen und Behörden, die tatsächlichen Ausgaben genau zu kalkulieren“, so Thyen.
- Anbieter betonten, die Cloud sei sicherer als jede lokale Umgebung. Besonders bei renommierten Hyperscalern und Fullservice-Angeboten erhalte man angeblich das Nonplusultra in Sachen Datenschutz und Compliance. Thyen hält dagegen, dass gerade in Europa hohe datenschutzrechtliche Anforderungen aus der DSGVO auf ein abweichendes US-Rechtsverständnis träfen und rechtliche Unsicherheiten erzeugten: „Behörden fürchten, der Zugriff ausländischer Stellen auf vertrauliche Daten könnte trotz aller Schutzversprechen nicht ausgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Verhältnisse wiegt dies noch umso schwerer. Das gefährdet nicht nur die Sicherheit sensibler Informationen, sondern auch die Rechtssicherheit der Verantwortlichen.“
- Cloud-Kunden würden mit dem Versprechen unbegrenzter Flexibilität und dynamischer Skalierbarkeit angelockt. Mehr Rechenleistung, Datenspeicher oder Dienste ließen sich angeblich per Mausklick hoch- oder herunterfahren. Der Verwaltungsratschef verweist jedoch darauf, dass die meisten skalierbaren Optionen in Pakete oder Tarifstufen gebündelt seien: „Wer nur leicht mehr Kapazität benötigt als vorgesehen, muss oft das nächste – teurere – Paket buchen. Dem entsprechend hat die EU-Kommission ein kartellrechtliches Verfahren wegen der Bündelung von Microsoft Teams mit Microsoft 365 bzw. Office 365 eingeleitet.“
- Multi-Cloud-Strategien und offene Schnittstellen sollen sicherstellen, dass Kunden ihre Dienste jederzeit wechseln können, ohne Daten oder Funktionen zu verlieren. Thyen beobachtet jedoch, dass viele Cloud-Plattformen hingegen auf proprietäre Lösungen und Datenformate sowie enge Integration setzten, sodass ein Wechsel zu einem anderen Anbieter technisch hochkomplex oder nahezu unmöglich werde. „Selbst wenn es eine Migrationsmöglichkeit gäbe, verursachen die notwendige Softwareanpassung, der Transfer großer Datenvolumina und das erneute Einrichten der Prozesse immense Kosten und Zeitaufwände“, so Thyen. „Wer sich einmal an die spezialisierten Dienste eines Anbieters gewöhnt hat, fürchtet beim Wechsel den Verlust der gewohnten Tools und den Bruch etablierter Betriebsabläufe.“
Hybride Infrastrukturen: Das Beste aus beiden Welten
Für Thyen ist klar, dass der Mittelstand beim Gang in die Cloud mit Bedacht vorgehen muss und daher auf hybride Infrastrukturen setzen sollte. Damit vermindere sich der finanzielle Druck, baue sich keine technische Abhängigkeit auf und könnten Risiken gestreut werden.
„Dieser Ansatz kombiniert die Vorteile moderner Cloud-Dienste mit der Kostentransparenz und Kontrolle eigener IT-Systeme. Durch eine solche Mischung können Unternehmen flexibel auf wechselnde Anforderungen reagieren, ohne die langfristige Planungssicherheit und Kontrolle über kritische Daten zu verlieren. Hybride Lösungen ermöglichen es, operative Effizienz zu bewahren und gleichzeitig die finanziellen Risiken der reinen Cloud-Nutzung zu reduzieren“, so Thyen abschließend. „Unternehmen, die sich nicht komplett von der Cloud lösen können oder wollen, profitieren mit diesem Ansatz von den Vorteilen beider Welten.“
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