Die Abrechnung: Cloud first oder Cloud mal ganz langsam?

Beitrag von Dietmar Müller

Chefredakteur Beyond Buzzwords

19. Februar 2025

Die Abrechnung: Cloud first oder Cloud mal ganz langsam?

Unternehmen stehen vor der Aufgabe, nun auch die kritischen Teile ihrer IT-Infrastruktur in die Cloud zu migrieren. Die Vorteile sind nicht von der Hand zu weisen, dennoch geht es so manchem gestandenen Mittelständler zu schnell. Wie denn nun? Ist der schnellste Weg in die Cloud der richtige, oder sollten CIOs Bedacht wallten lassen? Die Meinungen der verschiedenen Anbieter prallen hier aufeinander.

Beyond Buzzwords beleuchtet das Thema Cloud-Migration – namhafte Vertreter von SAP, Oracle, Forterro, Scopevisio, Sage und Proalpha stellen die von ihnen priorisierten Wege ausführlich dar.

Dabei wird klar: Die Meinungen bezüglich der Cloud-Migration gehen auseinander. Klar ist nur, dass nur ganz harte Traditionalisten versuchen, ihre Kern-IT weiter „onPrem“, also im eigenen Haus, zu halten. Der Zukunft zugewandte IT-Verantwortliche wissen dagegen, dass der Weg in die Cloud unumgänglich ist. Doch welchen Pfad beschreiten?

Oracle, SAP und Scopevisio setzen auf Cloud first

Vertreter der beiden „großen“ ERP-Anbieter, deren Hauptklientel aus großen Mittelständlern und Konzernen besteht, haben dazu ein e klare Meinung. Erik Kendel, ERP Strategy Director Oracle Deutschland, etwa rät klar zu einer Cloud-First-Strategie, der Übergang in die Cloud sollte beschleunigt erfolgen. Ja, man offeriere für Firmen, die nicht „sofort vollständig in die Cloud wechseln können, sei es aus regulatorischen, technischen oder strategischen Gründen“, auch weiterhin On-Premise-Lösungen und hybride Modelle. Cloud-Anwendungen wie Oracle Fusion Cloud Applications seien aber die erste Wahl für die Migration.

„Die Zukunft liegt definitiv in der Cloud“, konstatierte übereinstimmend Timo Deiner, Head of Innovation & Technology, MEE, SAP. Hybriden Szenarien seien dagegen lediglich eine „Übergangslösung“. Diese Aussage verwundert nicht, fährt der Walldorfer Riese doch eine Cloud-First-Strategie. Innovationen und Weiterentwicklungen im SAP-Portfolio finden sich nur noch für Cloud-Editionen der Plattform. Und KI-Funktionen gibt es nur für Unternehmen, die das Cloud-Modell der SAP nutzen.

Flankierend warnte Alexander Kintzi, CRO bei der Scopevisio AG: Eine hybride Strategie erscheine zunächst möglicherweise sinnvoll, im Endeffekt könne sie dem Anwender aber teuer zu stehen kommen, gehe sie doch einher mit einem erhöhten Managementaufwand und generell höheren Kosten: „Die Zukunft liegt eindeutig in der Cloud, die durch zentrale Verfügbarkeit und nahtlose Integration eine einheitliche und zukunftssichere Infrastruktur bietet. Scopevisio verfolgt konsequent einen Cloud-First-Ansatz, der es Unternehmen ermöglicht, von einer zentralisierten Datenbasis und einer vereinfachten Verwaltung zu profitieren, während sie gleichzeitig ihre Effizienz steigern und den zusätzlichen Aufwand hybrider Lösungen vermeiden.“

Forterro, Sage und Proalpha votieren für den hybriden Weg

Das sehen Vertreter von Forterro, Sage und Proalpha anders: „Für KMU, die ihre Daten in der eigenen Organisation behalten und dennoch auf moderne SaaS-Software setzen möchten, ist die Hybrid Cloud ein attraktiver Ansatz“, befand Thomas Knorr, Director Cloud Transformation beim ERP-Spezialisten Forterro. Sie stelle eine attraktive Option für Unternehmen dar, die nicht sofort alle Anwendungen in die Cloud migrieren wollen oder können. Er minimiere Risiken und erleichtere den Übergang in die Cloud, weil er die Unternehmen ihre Erfahrungen mit Cloud-Lösungen machen lasse, bevor sie vollständig migrieren. „So können bestimmte Anwendungen, die besonders sensibel sind oder besondere Anforderungen stellen, weiterhin vor Ort betrieben werden, während andere, weniger komplexe oder Cloud-nähere Anwendungen in die Cloud verlagert werden.“

Dem schloss sich Alexander Trautmann, Head of Product Engineering bei Sage, weitgehend an. Eine hybride Strategie sei im Moment sinnvoll für all die Unternehmen, die entweder sehr individuelle Anforderungen oder stark schwankende Auslastungen und somit Skalierungsanforderungen haben.

Krauter von Proalpha hält es sogar für grob fahrlässig, Mittelständler Hals über Kopf in die Cloud zu jagen. Hier seien die Anbieter gefordert – sie sollten sich den unterschiedlichen Digitalisierungs-Geschwindigkeiten ihrer Kunden anpassen. Hilfreich seien voll integrierte Cloud-Services, die den Anwendern sukzessive Erweiterungen ihrer traditionellen Kernsysteme an die Hand geben. Reine Cloud-Lösungen in der Fertigung seien dagegen Stand heute noch regelrechte Exoten. Das liege vor allem an dem hohen Vernetzungsgrad von ERP-Systemen, dessen Komplexität nicht 1:1 transferiert werden könne. 

„Um schnell und flexibel auf veränderte Anforderungen reagieren zu können, verlangt die Cloud zunächst eine Harmonisierung der Prozesslandschaft über Branchentemplates und Industry Best Practices. Erst dann stellen sich echte Skaleneffekte ein, sodass die vollen Vorteile des Cloud-Computings ausgeschöpft werden können.“

Fazit

Die Meinungen gehen wie gesehen auseinander: Um agil und erfolgreich zu bleiben, müssen Unternehmen ihr Enterprise Ressource Planning früher oder später in der Cloud betreiben. Für viele Anwender scheint eine Cloud-first-Strategie aber zu verwegen, sie bevorzugen eine sanfte Herangehensweise an das Thema – und haben mit hybriden Angeboten ein für sie passendes Angebot. Nun ist es an den IT-Entscheidern, den richtigen Weg zu wählen.

 

 

Kommentar hinzufügen