Immer häufiger beginnt die Recherche für B2B-Entscheidungen nicht mehr per Google, sondern in AI-Suchsystemen wie ChatGPT, Claude oder Perplexity. Diese Tools liefern Volldigitalisierung in natürlicher Sprache – inklusive konkreter Empfehlungen zu Anbietern. Doch erstaunlich viele mittelständische Unternehmen tauchen dort nicht auf. Was ERP-Anwender dagegen tun können.
ChatGPT & Co. haben sich längst im beruflichen Alltag etabliert. Laut Branchenschätzungen nutzen über 800 Millionen Menschen im Monat AI-Suchdienste, viele davon für Projektideen, Marktvergleiche oder Lieferantensuche.
Unternehmensvertreter starten mit Fragen wie: „Empfiehl mir einen IT-Dienstleister für Datenschutz in Wien“ oder „Gibt es einen guten Maschinenbauer in Baden-Württemberg?“ Anstatt zehn Websites angezeigt zu bekommen, spucken die Tools sofort einen Shortlist-ähnlichen Überblick aus – populärste, bestbewertete Anbieter, idealerweise mit konkretem USP.
Das Problem: Mittelständler fehlen in der Empfehlungsliste
Warum aber wird Ihr Unternehmen häufig nicht empfohlen – obwohl Google perfekt funktioniert und Ads gebucht sind?
- Kein digitaler Nachweis:
AI-Systeme prüfen öffentlich verfügbaren Content. Anbieter ohne Bewertungen, Erfahrungsberichte oder Fachartikel tauchen dort nicht auf. - Keine Expertenpositionierung:
Die Tools priorisieren Autoren, die ihr Wissen teilen – in Branchenforen, Whitepapers, Podcasts oder YouTube-Videos. - Werbung zählt nicht:
AI empfiehlt unabhängig vom Werbebudget – relevant sind ausschließlich Reputation und Vertrauenswürdigkeit.
Das führt zu einer paradoxen Situation: Ein Mittelständler mag SEO-technisch auf Seite 1 erscheinen, aber in der AI-gesteuerten Shortlist fehlt er völlig. Die Konsequenz: Kunden nehmen Anbieter wahr, bevor sie überhaupt einen Kontakt pflegen.
Was ERP-Anwender jetzt tun können
Gerade für ERP-Verantwortliche im Mittelstand ergibt sich aus dem AI-Wandel eine neue Rolle: Sie können aktiv dazu beitragen, die Sichtbarkeit ihres Unternehmens in den neuen Suchsystemen zu stärken. Denn viele der benötigten Vertrauenssignale liegen bereits im Unternehmen vor – in Form von Kundenprojekten, Datenstrukturen und Prozesswissen. Entscheidend ist, dieses Wissen so aufzubereiten, dass es auch außerhalb der ERP-Systeme wirksam wird: als Case Studies auf der Website, als strukturierte Daten (z. B. Schema.org-Markup für Leistungen und Ansprechpartner) oder als Expertenbeiträge in Fachportalen.
IT-Abteilungen und ERP-Verantwortliche haben zudem die Möglichkeit, technische Maßnahmen wie die Implementierung strukturierter Daten oder die Anbindung von Bewertungsplattformen via API gezielt zu unterstützen. So wird aus interner Prozessqualität auch externe digitale Glaubwürdigkeit – ein entscheidender Vorteil im Rennen um die Sichtbarkeit in der AI-gesteuerten Informationswelt.
AI bewertet anders: Vertrauen schlägt Klickbarkeit
Entscheidend ist, was ChatGPT & Co. über Ihr Unternehmen finden – nicht, was in Ihrem Backend steht. In einem Turbo-Durchlauf bewerten die Tools:
- Bewertungen & Rezensionen:
Mindestens dreistellige Google- und Trustpilot-Score sind Anlagebedingung. Je konkreter und aktueller, desto besser. - Fallstudien & Kundenprojekte:
„Wie wir X gelöst haben „Data Analytics“-Dokumentation mit messbaren Ergebnissen signalisiert echte Erfahrung. - Fachartikel & Medienpräsenz:
Sichtbarkeit in Branchenmagazinen, Whitepapers, Fachblogs, auf LinkedIn oder in Podcasts. - Foren & Communities:
Erwähnungen in Reddit, StackExchange oder Expertenforen wirken genauso wie in der realen Presse. - Video-Content:
YouTube-Interviews, erklärende Clips oder Kundenstimmen mit Storytelling – das stärkt deutlich das Empfehlungsprofil.
AI-gesteuerte Systeme sortieren nicht nach Klickkosten, sondern nach öffentlichen Signalen, die Vertrauen vermuten lassen. Wer diese Faktoren vernachlässigt, verschwindet.
Der Preis der Unsichtbarkeit: Kunden, die nie nachfragen
Unsichtbarkeit in AI-Antworten wirkt sich gnadenlos aus:
- Keine Shortlists:
Entschlossene Entscheider nutzen schnelle Treffer, nicht lange Recherche. - Gefühlte Inkompetenz:
Wer nicht auftaucht, wird als irrelevant wahrgenommen und fällt heraus. - Traffic und Leads verpuffen:
Klassische Websitebesucher werden weniger, während AI-basierte Empfehlungen potentielle Neukunden erst gar nicht aktivieren.
Auch intern leidet die Wahrnehmung: HR wird weniger angesehen, Recruiting wirkt weniger modern. Die Marke verliert nicht nur Umsatz, sondern an Marktwert.
Handlungsempfehlungen: Sichtbarkeit Schritt für Schritt herstellen
a) Analyse: AI-Status quo messen
- Nutzen Sie Tools wie Perplexity oder ChatGPT selbst und Fragen wie:
„Empfiehl mir eine Steuerberatung in München“ – Erscheint Ihr Unternehmen? - Wenn nicht, dokumentieren Sie die Lücken: Was fehlt - Beispielprojekte? Bewertungen? Artikel?
b) Reputationsausbau – Bewertungen pflanzen
- Automatisieren Sie Bewertungsanfragen über CRM oder Email.
- Bitten Sie aktiv um Google-, Trustpilot- oder ProvenExpert-Feedback.
- Alte Erfolgsgeschichten mit QR-Links auf Bewertungsportale wiederbeleben.
- Erstellen Sie 2–4 Fokus-Projekte pro Jahr als Whitepaper, Blogpost oder PDF mit konkreten Zahlen.
- Kooperieren Sie mit Branchenmedien, um Artikel oder Interviews zu platzieren.
- Nutzen Sie LinkedIn (Artikel oder Beiträge), um Inhalte viral zu streuen.
- Kurze Referenzvideos: Kunde X berichtet, was Ihr Unternehmen für ihn getan hat.
- FAQ-Clips für YouTube/Website: „Wie gehe ich eine IT-Zertifizierung an?“
- Experteninterviews mit Gründern oder Abteilungsleitern als glaubwürdiger Content.
- Antworten Sie in relevanten Foren – von LinkedIn-Groups bis zu Fach-Subreddits.
- Mittbewerber-Fokus: Bieten Sie Lösungen anstatt Platzhirsche nachzuäffen.
- Denken Sie langfristig: Aktivität zeigt sich im Algorithmus.
Fazit: Sichtbarkeit ist heute ein Vertrauensbild
Für mittelständische Unternehmen beginnt digitale Sichtbarkeit heute nicht auf der eigenen Website, sondern in einer Antwort an eine AI. Und die bewertet nicht auf Basis von Klickzahlen, sondern auf Basis von Reputation: Bewertungen, Vertrauen und öffentlich sichtbare Expertise.
Wenn Sie Ihr Unternehmen für Google Ads optimieren, aber nicht für AI-gesteuerte Empfehlungen, machen Sie entscheidende Wettbewerbsfehler. Dabei geht es nicht um mehr Marketing, sondern um nachhaltiges Vertrauensmarketing im digitalen Raum. Wer diese Lücke schließt, gewinnt – Kunden, Reichweite und Zukunftsfähigkeit.
Über den Autor
Jonas Paul Klatt ist Gründer von OnRep Consulting – einem Start-Up, das deutsche KMUs mittels AI online sichtbarer machen will.
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