Interview mit der Artificial Intelligence Gemini, ein großes, von Google trainiertes Sprachmodell, zur Zukunft der Informatik. Was meint der mutmaßliche Job-Killer zu den Zukunftsaussichten von Informatikern? Kann man Studierenden heute noch empfehlen, Programmieren zu lernen?
Die Informatik-Lehrstühle in Deutschland sind in Aufruhr: Laut Bundesagentur für Arbeit sind derzeit mehr als 15.000 Softwareentwickler:innen arbeitslos. Dieser Beruf, der noch bis vor kurzem eine der zukunftssichersten Perspektiven für junge Leute aufzeigte, wird immer weniger nachgefragt – die Artificial Intelligence (AI) erledigt das Programmieren einfach schneller und fehlerloser.
Was sagt eigentlich die AI selbst dazu?
Wir von Beyond Buzzwords haben bei Gemini, der freien AI von Google, nachgefragt, ob man Studierenden heute noch empfehlen kann, Programmieren zu lernen? Und wenn ja: Welche Sprache hat die Aussicht, auch künftig den Programmierer:innen zu ernähren?
Gemini: Ja, man kann und sollte Studierenden unbedingt empfehlen, Programmieren zu lernen. Die Nachfrage nach Programmierenden ist nach wie vor sehr hoch und wird es auch in Zukunft bleiben. AI-Tools sind Hilfsmittel, keine vollständigen Ersatzlösungen. Sie automatisieren bestimmte, sich wiederholende Aufgaben, aber das konzeptionelle Denken, das Entwerfen von Architekturen und das Lösen komplexer Probleme bleibt menschliche Domäne.
Und welche Sprache sollen die jungen Leute nun lernen?
Gemini: Python ist ideal für Einsteigende und extrem vielseitig. Python ist die dominierende Sprache in den Bereichen Data Science, Artificial Intelligence und Web-Entwicklung. JavaScript (und TypeScript) sind Standardsprache für die Frontend-Entwicklung. Kenntnisse in JavaScript sind unerlässlich für Web- und mobile Anwendungen. TypeScript bietet zusätzliche Sicherheit durch statische Typisierung.
Java stellt eine robuste Sprache dar, die vor allem in großen Unternehmen für Enterprise-Anwendungen, Backend-Systeme und Android-Apps verwendet wird. Diese Sprachen Rust oder Go sind für Systemprogrammierung und Hochleistungs-Anwendungen sehr gefragt. Sie eignen sich gut für Bereiche wie Cloud-Infrastruktur oder IoT. Es ist wichtiger, grundlegende Programmierkonzepte zu verstehen, als sich auf eine einzige Sprache zu fixieren. Wer die Prinzipien kennt, kann sich schnell in neue Sprachen einarbeiten.
Wird die AI künftig nicht sämtliche Programmiertätigkeiten übernehmen?
Gemini: AI wird Programmierer nicht vollständig ersetzen. Stattdessen wird sie die Art und Weise, wie Programmierer arbeiten, grundlegend verändern. AI-gestützte Tools wie GitHub Copilot oder ChatGPT agieren als intelligente Assistenten. Sie helfen, Code zu generieren, Bugs zu finden und repetitive Aufgaben zu automatisieren. Die Rolle des Programmierers verlagert sich daher vom reinen Schreiben von Code hin zu komplexeren Aufgaben, als da sind
- Prompt Engineering:
Die Fähigkeit, die richtigen Anweisungen zu geben, um von der AI den gewünschten Code zu erhalten.
- Architektur und Design:
Das Entwerfen von Software-Systemen und das Lösen von Problemen auf hoher Abstraktionsebene.
- Code-Review und Qualitätskontrolle:
Sicherstellen, dass der von der AI generierte Code sicher, effizient und korrekt ist.
- Kommunikation:
Das Zusammenspiel zwischen Entwicklern, Produktmanagern und Kunden bleibt entscheidend.
Wie wird die Rolle des Informatikers in fünf bis zehn Jahren aussehen?
Gemini: Die Tätigkeit eines Informatikers wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren weiterentwickeln und weg von der reinen Code-Eingabe hin zu einer viel strategischeren Rolle verschieben:
- Strategischer Problemlöser:
Der Fokus liegt auf der Analyse komplexer Geschäftsanforderungen und der Entwicklung passender IT-Strategien. Code wird ein Werkzeug sein, um diese Strategien umzusetzen.
- Integrations-Spezialist:
Viele neue Systeme werden auf der Integration von AI-basierten Diensten, Cloud-Plattformen und bestehenden Architekturen basieren. Informatiker werden die Experten für die Vernetzung dieser komplexen Komponenten.
- Experte für Automatisierung:
Informatiker:innen werden Prozesse nicht nur programmieren, sondern auch automatisieren – von der Software-Entwicklung selbst (DevOps) bis zu geschäftlichen Abläufen (RPA, Robotic Process Automation).
- Mensch-AI-Interaktion:
Eine Kernkompetenz wird der Umgang mit AI-Assistenten sein. Das bedeutet, das richtige „Fragen“ (Prompting) zu lernen und die Ergebnisse der AI zu überprüfen und zu optimieren. - Sicherheits- und Ethikexpert:innen:
Angesichts der zunehmenden Automatisierung und Datensammlung wird die Verantwortung für Cybersicherheit und Datenschutz eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Auch ethische Fragen in Bezug auf den Einsatz von AI werden eine größere Rolle spielen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Informatiker in Zukunft weniger wie Code-Schreiber und mehr wie System-Architekten und technische Berater agieren werden.
Welche Entwicklung wird „No/Low-Code nehmen?
Gemini: Die Kombination von AI und No/Low-Code-Plattformen wird die Softwareentwicklung revolutionieren und beschleunigen. Anstatt sich gegenseitig abzulösen, ergänzen sich diese beiden Technologien perfekt und treiben die Digitalisierung voran. AI wird die No/Low-Code-Entwicklung noch effizienter machen. Plattformen nutzen AI, um automatisch Code-Vorschläge zu machen, Workflows zu generieren oder Fehler zu finden und zu beheben. Ein Nutzer kann beispielsweise in natürlicher Sprache beschreiben, welche Funktion eine App haben soll, und die AI generiert daraufhin die passende Anwendung.
No/Low-Code macht AI-Technologien wie Bilderkennung, Datenanalyse oder maschinelles Lernen zudem für Anwender ohne tiefe Programmierkenntnisse zugänglich. Vorgefertigte AI-Modelle können einfach per Drag-and-drop in Anwendungen integriert werden, was die Entwicklung intelligenter Systeme massiv vereinfacht. AI kann auch die Benutzeroberfläche von No/Low-Code-Plattformen dynamischer und intuitiver gestalten. Sie kann das Nutzerverhalten analysieren und die Plattform so anpassen, dass sie den Entwickler bei seinen Aufgaben optimal unterstützt.
Die Rolle des „Citizen Developers“ – also des nicht-technischen Mitarbeiters, der eigene Anwendungen erstellt – wird durch die AI weiter gestärkt. Die AI agiert als persönlicher Assistent, der die technischen Hürden noch weiter senkt. So können Fachabteilungen schneller und eigenständiger auf ihre spezifischen Anforderungen reagieren. Und schließlich werden Unternehmen vermehrt auf hybride Ansätze setzen, bei denen die Geschwindigkeit von No/Low-Code-Plattformen mit den Möglichkeiten komplexer, manuell geschriebener Code-Integrationen kombiniert wird. AI-Tools unterstützen Entwickler dabei, diese Brücke zwischen den beiden Welten zu schlagen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass AI die No/Low-Code-Entwicklung nicht ersetzt, sondern sie zu einem noch leistungsfähigeren und zugänglicheren Werkzeug macht. Die Zukunft liegt in der intelligenten Zusammenarbeit zwischen Mensch und AI-gestützter Technologie.
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