Die deutsche Fertigungsindustrie kann nur in Datenräumen wachsen

Beitrag von Dr. Dietmar Müller

Chefredakteur Beyond Buzzwords

02. Juni 2025

Wir digitalisieren seit mindestens zehn Jahren auf Teufel komm raus, doch trotz vielfältiger Bemühungen der deutschen Wirtschaft hat die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstandes gelitten. Daran hat nicht allein die Politik Schuld, wenngleich sicherlich zu einem guten Teil. Es wird immer deutlicher, dass das Business an seine Grenzen stößt – Unternehmen sind nicht in der Lage, mit ihren potenziellen und tatsächlichen Partnern Daten sicher auszutauschen.

Das wäre aber die Voraussetzung für gemeinsame Projekte, die Türen zu neuen Geschäftsmodellen aufstoßen. Solange es keine gemeinsame Datenökonomie gibt, müssen Projekte an der Oberfläche kratzen, die Reichweite der Datenökonomie endet am eigenen Werkstor.


Das Problem hat, man will es kaum glauben, auch die EU erkannt. Bereits im Januar hat sie daher den EU Data Act in Kraft gesetzt, er bildet die rechtliche Grundlage für den Datenaustausch zwischen Organisationen. Darüber hinaus werden Datenräume benötigt, in denen die Partner ihre Daten präsentieren können, ohne dass sie entwendet oder verändert werden können. Solche Datenräume werden erstellt von sogenannten „X-Initiativen“, also Untergruppen der Gaia-X-Initiative, als da wären etwa Manufacturing-X, Catena-X, Gaia-X oder Factory-X.

Vertrauensräume eröffnen neue Geschäftsmodelle

Bei diesen föderative Datenräumen geht es nicht nur darum, Daten zu sammeln, sondern sie auch zu teilen. Strenge regulatorische Vorgaben sorgen dafür, dass nur die Nutzer*innen entscheiden, welche Daten für einen bestimmten Zeitraum verfügbar sind, und wer darauf zugreifen darf. Man könnte auch von „Vertrauensräumen“ sprechen.

Vertrauen und Sicherheit sind deshalb von so großer Bedeutung, weil, wie Martin Hager, Gründer und CEO von Retarus, erläutert, es von europäischen Unternehmen grob fahrlässig wäre, kritische Infrastruktur in die Hände von Anbietern zu legen, die einer „immer unberechenbareren US-Politik unterworfen“ seien. „Wenn wir jetzt nicht handeln, gefährden wir nicht nur lokale Innovation, sondern gelangen in immer stärkere Abhängigkeit von US-Akteuren.“ Hager weiß, wovon er spricht: Retarus ist als Anbieter von APIs, Gateways und endsprechender Applikationen ein Experte für den Austausch strukturierter Geschäftsdaten.

Um den Fängen der Datendiebe zu entgehen, kooperieren immer mehr Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Verbände aus Europa, um wirklich sichere Basisinfrastrukturen plus aufgesetzte Lösungen für bestimmte Branchen zu erstellen. Für die Autobauer ist beispielsweise Catena-X maßgeblich – das Projekt ist bereits sehr ausgereift und offeriert föderative Datenräume, über die Daten nach festen Regeln ausgetauscht werden können. Es will Industrieunternehmen flächendeckend in die Lage versetzen, Wertschöpfung mit Daten zu betreiben, was sie mittel- und langfristig resilienter und nachhaltiger machen wird.

Das kommt nicht nur den Einzelunternehmen, sondern auch der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft als Ganzes zugute. Sie kann zusätzliche Werte aus ihren Daten schöpfen und erhält eine Datenbasis, die als Infrastruktur für eine nachhaltige Produktion dienen kann.

Der Mittelstand verharrt noch in den Startblöcken

Die Bedeutung von Datenräumen für das Wachstum eines Unternehmens ist jedoch nur in geringem Maße vom deutschen Mittelstand erkannt worden, an den X-Initiativen nehmen nur wenige Unternehmen teil. Dabei zwingt der EU Data Act den Maschinen- und Anlagenbau auf kurz oder lang zum Umdenken, macht er den Herstellern von Maschinen und Anlagen doch erst die Bedeutung ihrer erfassten Maschinendaten klar. Er eröffnet die Chance, einen Maschinen- und Anlagenbauer in einen Serviceanbieter zu verwandeln, mit ganz neuen Erlösquellen. Also: Auf die Plätze…

 

 

 

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