Was haben sogenannte „Agenten“ im Unternehmen verloren?

Beitrag von Dietmar Müller

Chefredakteur Beyond Buzzwords

23. Dezember 2024

Zunahme von Agenten in der IT-Infrastruktur

Die IT-Infrastruktur von Unternehmen wird bis in zwei Jahren mit Tausende von Agenten geflutet sein – prognostizierte der CEO des Systemintegrators Boomi, Steve Lucas. Um sie unter Kontrolle zu halten, benötigen Firmen noch mehr Agenten. Eine Gefährliche Entwicklung, befindet UiPath-CEO und Bot-Milliardär Daniel Dines.

Kurz vor Jahresschluss gab Systemintegrator Boomi in London einen Ausblick auf seine Produktentwicklung für dieses und das kommende Jahr. In der Keynote von CEO Steve Lucas war Artificial Intelligence (AI) das dominierende Thema. Seine Prognose: Unternehmen und ihr Enterprise Ressource Planing (ERP)-System wird bis in zwei Jahren mit sogenannten Agenten komplett geflutet sein. Gegen die AI-Agentenflut könne nur wieder AI helfen. „Mit AI sind wir in der Lage, die 1000enden von Datenbanken und Cloud-Services, die mittlerweile in fortschrittlichen Unternehmen im Einsatz sind, miteinander zu verknüpfen“, so Lucas. Agenten definiert er wie folgt: Sie gehen über Microservices und Bots hinaus, es handele sich vielmehr um Softwareeinheiten, die Aufgaben ausführen und basierend auf ihrem definierten Umfang autonom (!) Entscheidungen treffen.

„Diese Agenten haben die Wenn/Dann-Logik herkömmlicher Informatik hinter sich gelassen und sind in der Lage, auf der Grundlage des Kontexts, in denen sie trainiert wurden, zu schlussfolgern“, erklärte der CEO.

Vereinfach gesprochen seien AI-Agenten eine Weiterentwicklung von GenAI. Während GenAI Inhalte größtenteils Schritt für Schritt generieren könne, seien Agenten in der Lage, eine Abfolge von Schritten und Aktionen unabhängig auszuführen.

Konkrete Gefahren?

Vereinfach gesprochen seien AI-Agenten eine Weiterentwicklung von GenAI. Während GenAI Inhalte größtenteils Schritt für Schritt generieren könne, seien Agenten in der Lage, eine Abfolge von Schritten und Aktionen unabhängig auszuführen. Darüber hinaus wagte Lucas die Prognose, dass bis in zwei Jahren keine Menschen mehr nötig sein werden, um die Arbeit der AI zu überwachen – das könne die AI selbst viel besser.

Auch würden viele Mitarbeitende bei der Content-Kreation überflüssig werden: Unternehmen könnten beispielsweise GenAI zur Generierung von Social-Media-Inhalten verwenden, ein Agent verfasst dann Beiträge auf der Grundlage von Eingabedaten und vordefinierten Regeln. Er müsste sich aber nicht auf die Generierung von Inhalten beschränken, sondern könnte die Inhaltsstrategie entsprechend der Performance frühere Beiträge anpassen, also selbstständig verändern – alles ohne menschliches Eingreifen.

Boomi selbst hat bereits mehrere Agenten entwickelt, darunter Boomi GPT und Boomi DesignGen, die Integrationsprozesse entwerfen können, sowie Boomi Pathfinder, der die entsprechenden Daten zuordnet, odxer Boomi DataDetective, das deren Verbreitung verfolgt. Boomi Scribe liefert detaillierte Prozessbeschreibungen, und Boomi Answers gibt Auskunft über das Unternehmen Boomi.

„Alles, was ich Anwender*innen sagen kann, ist: Fangen Sie heute noch mit der Entwicklung von Agenten an. Wie bei jeder neuen Technologie werden sich diejenigen Unternehmen am Markt behaupten, die früh- und damit rechtzeitig auf den Zug aufgesprungen sind“, so der CEO.

AI macht die ERP-Nutzung einfacher

AI kann aber nicht nur Agenten ins Feld schicken, sie wird in Unternehmen A auf viele andere Arten zum Einsatz kommen: So soll sie helfen, die überbordende Komplexität von heterogenen IT-Infrastruktur unter Kontrolle zu bringen. „Mit AI in unserer iPaaS sind wir in der Lage, die 1000enden von Datenbanken und Cloud-Services, die mittlerweile in fortschrittlichen Unternehmen im Einsatz sind, miteinander zu verknüpfen“, so Lucas. Die Konnektivität sei und bleibt die entscheidende Herausforderung für fast jedes Unternehmen. Denn mit der zunehmenden Verbreitung von AI wachse aber auch die Zahl der Verbindungen zwischen API-Endpunkten, die die AI-Agenten nutzen werden. Boomis Antwort darauf ist ein AI-Agenten-Framework, ohne das nach Meinung von Lucas kein Unternehmen mehr auskommen wird. Es sollte offen sein, sodass Kund*innen AI-Agenten auch von Drittanbietern über APIs in ihre Plattform integrieren können.

In seiner Keynote im Rahmen der Boomi World 2024 kündigte Lucas eine strategische OEM-Vereinbarung mit Vianai Systems an, einem Anbieter von konversationellen AI-Lösungen für das Finanzwesen. Gemeinsam demonstrierten sie einen der ersten AI-Agenten eines Drittanbieters, Boomi FinTalk powered by Vianai. Boomi-Kund*innen können sich damit nahtlos kurzschließen und dabei das AI-Agenten-Framework von Boomi nutzen. Der Agent stellt auch eine Verbindung zu Finanzdatenquellen in ERP-Systemen, Datenbanken, Dokumenten, Data Lakes von Kund*innen und anderen Daten her und ermöglicht es Benutzer*innen, über eine natürlichsprachige Schnittstelle Fragen zu ihren Daten zu stellen.

Böse Agenten 

„Führungskräfte aus dem Technologie- und Wirtschaftsbereich haben sich schwergetan, die Möglichkeiten der generativen AI in ihrem Unternehmen zu nutzen.“ Der Agent von Vianai für CFOs und Finanzanwender*innen ermögliche nun aber einfach und klar Einblicke in Echtzeit, um die Geschäftsentwicklung voranzutreiben. Was aber, wenn AI-Agenten nichts Gutes im Schilde führen? Diese Frage stellte ebenfalls erst vor wenigen Tagen 2019 Daniel Dines anlässlich der Eröffnung eines neuen AI-Entwicklungszentrums seiner Firma ebenfalls in London, wo anders als in Deutschland mittlerweile offenkundig die wichtigen Fragen erörtert werden. Der UiPath-Gründer und CEO verfügt über einen berufenen Mund, gilt er doch laut dem „Forbes“-Wirtschaftsmagazin als erster Milliardär, der sein Geld mit Bots gemacht hat. Er weiß also, wovon er spricht. Und er setzt nun voll auf Agenten.

Seiner Meinung nach sollten diese Agenten jedoch ausschließlich dazu eingesetzt werden, Anwender*innen Vorschlägen zu unterbreiten. Die Ausführung müsse dringend Menschen überlassen bleiben, insbesondere wenn es um finanzielle Investitionen oder generell um Geld gehe. Dines Ansicht steht damit konträr zu der von Lucas, der scheinbar grenzenloses Vertrauen in die Redlichkeit von Agenten hat.

Kommentar hinzufügen