Als neuen Schwerpunkt wollten wir uns bei Beyond Buzzwords intensiv um Verfahren, Chancen und Möglichkeiten von Programmierung nach dem No/Low-Code -Prinzip kümmern. No/Low-Code bietet Ansätze zur Entwicklung von Software und Anwendungen, die auch Menschen mit wenig bis gar keinen Kenntnissen das Programmieren ermöglichen. Das Verfahren nutzt visuelle Entwicklungsumgebungen mit vorgefertigten Bausteinen und Drag-and-Drop-Funktionen. Gerade für mittelständische Unternehmen mit einer angespannten Personalsituation hört sich das vielversprechend an.
Im Zuge von Gesprächen und der allgemeinen Recherche wurde aber schnell klar, dass sich alle geplanten Artikel mehr oder weniger um die Zukunft des Programmierens selbst drehen. Es stellte sich nämlich die Frage, ob es künftig noch Menschen braucht, die mit gar keinem, wenig oder auch viel Code neue Anwendungen zusammenschrauben. Die AI kann das mittlerweile nämlich mindestens ebenso gut, und auf jeden Fall schneller. Als Beispiel sei ein schwäbischer Prokurist genannt, der mir davon erzählte, wie er einen HTML-Fehler auf der Firmen-Website ohne die Hilfe seines IT-Teams alleine mit dem Microsoft-Copiloten behoben hat. Seine eigenen IT-ler hatten das zuvor als „unmöglich“ deklariert. Das zeigt, auf welch wackliger Position sich Developer heute befinden. Noch vor zehn Jahren war deren Job der unbestritten coolste – mit langem Bart und Dutt konnten sie ihre Dienste dem Meistbietenden offerieren und von jedem Ort der Welt aus arbeiten. Dieser Traum platzt gerade.
Und so haben wir den Informatik-Lehrstühlen in Deutschland sowie ausgewiesenen Expert:innen wie Anna Kopp, CTO von Microsoft Deutschland, oder Maks Giordano, medienwirksamer digitaler Stratege und Innovationsspezialist, gefragt, ob man jungen Leuten heute noch guten Gewissens raten kann, eine Programmiersprache zu lernen, um damit später ihre Familie zu ernähren. Beide haben die Frage verneint, Giordano riet angesichts der durch die AI völlig unklaren Lage gar zum Studium der Philosophie, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.
Auch ein Handwerk sei vielleicht nicht verkehrt, meinte er. Dumm nur, dass auf der Veranstaltung, wo Beyond Buzzwords diese Frage stellte, bereits ein funktionstüchtiger Prototyp eines humanoiden Roboters herumlief. Diese Gesellen werden rasant flügge und schon bald auf Baustellen Mauern hochziehen, verputzen und streichen, Fliesen und Rohre verlegen, Häuser decken – allerdings ohne Pause, ohne Gewerkschaft oder Betriebsrat. Das Handwerk wird demnächst genauso von der AI (und der Robotik) angegriffen, wie in Kürze die Bürojobs.
Wie erschreckend die Lage für die Informatik ist, zeigt die Reaktion eines mir gut bekannten Professors, der kein Statement abgeben wollte – er sei angesichts der aktuellen Situation selbst völlig baff und könne zu nichts raten. Nichtsdestoweniger blieb Beyond Buzzwords hartnäckig und hat Interviews u.a. mit den Professoren Franz Nees und Jan Appel geführt, dazu gibt es viele nützliche Artikel zum ursprünglichen Schwerpunkt-Thema No/Low-Code und wie es speziell ERP-Anwender:innen weiterhelfen kann. Auch die AI selbst lassen wir zu Wort kommen.
In meiner bald 30-jährigen Laufbahn in der IT habe ich noch keine Situation wie diese erlebt – wir alle werden verändert aus der durch AI geschaffenen Situation herauskommen. Tatsächlich wird damit eine Frage aktuell, die uns schon in den 90er Jahren im Zuge eines Soziologie-Studiums (sic) beschäftigte, damals rein theoretisch: Was sollen all die Menschen tun, wenn ihnen die Maschinen alle Arbeit weggenommen haben?
Beantworten Sie diese Frage bitte für sich selbst – und zwar bald, denn die AI kennt keine Verschnaufpause.
Herzlichst,
Ihr Dietmar Müller