von Gregor von Jagow, Red Hat
Wer erinnert sich nicht an die Zeit, als „alles in die Cloud“ das neue Allheilmittel war? Kaum ein Unternehmen, das nicht mit Volldampf in Richtung Public Cloud Provider aufgebrochen ist – oft ohne Plan B, manchmal sogar ohne einen Masterplan. Dann kamen die Kostendiskussionen, die Compliance-Bedenken, die Integrationsschwierigkeiten. Und plötzlich wurde aus der Public Cloud eine hybride Strategie – eine Evolution, die Unternehmen eine bessere Balance aus der Skalierbarkeit der Public Cloud und der Kontrolle der Private Cloud bietet.
Heute erleben wir bei der Diskussion um die digitale Souveränität genau dieselbe Entwicklung. Erst der Aufschrei angesichts der Bedrohung unserer digitalen Souveränität von außen, verbunden mit dem Aufruf, sich die Kontrolle zurückzuholen. Dann die Verunsicherung bezüglich der Machbarkeit. Und jetzt die Phase der Differenzierung. Das ist auch gut so, denn das Streben nach Souveränität darf nicht in blindem Aktionismus enden. Es geht keineswegs darum, eine Alles-oder-nichts-Lösung umzusetzen – die ist nämlich nicht realistisch. Vielmehr rückt die Fähigkeit in den Mittelpunkt, unterschiedlichste Infrastrukturen und Services sinnvoll zu kombinieren – vom eigenen Rechenzentrum über die Cloud bis hin zum Edge.
Mithilfe einer hybriden Cloud-Architektur können Unternehmen gezielt steuern, wo ihre Daten liegen, wie ihre Workloads ausgeführt werden und welche Vorgaben eingehalten werden müssen. Ein konsequenter Open-Source-Ansatz schafft dabei die notwendige technologische Offenheit, um nahezu jede Anforderung in Bezug auf Transparenz, Kontrollierbarkeit und Compliance souverän umzusetzen. Der Open-Source-Gedanke fördert darüber hinaus die Innovationskraft enorm, denn Entwicklungen finden jenseits von Kultur-, Länder- oder Firmengrenzen statt.
Ein offenes Hybrid-Cloud-Konzept bietet Unternehmen jedoch nicht nur die Freiheit, jede Anwendung und jeden Workload dort bereitzustellen, wo sie am besten aufgehoben sind. Open-Source-Prinzipien sind auch der Weg hin zu einer erklärbaren und nachvollziehbaren AI. Unternehmen und Regierungen müssen in der Lage sein, AI so zu entwickeln und einzusetzen, dass sie mit den nationalen Rahmenbedingungen übereinstimmt und die Kontrolle über sensible Informationen gewahrt bleibt. Open Source unterstützt die Entwicklung souveräner AI-Strategien, bei denen Daten-Governance, Modellaufsicht und Infrastrukturkontrolle durchgesetzt werden können.
Kurzum: Eine offene Architektur ermöglicht die Transparenz und Überprüfbarkeit, die für einen verantwortungsvollen AI-Einsatz unerlässlich sind. Vertrauen in die Entscheidungen einer AI kann nur entstehen, wenn genau bekannt ist, wie die Modelle trainiert und gewichtet sowie welche Quellen herangezogen wurden, bevor das System in den Produktivbetrieb geht. Die Integrität von Open-Source-Code lässt sich in allen Phasen der Anwendungsentwicklung überprüfen.
Wir sehen täglich, wie stark Open-Source-Communities und -Ökosysteme von globaler Zusammenarbeit profitieren und wie man trotz geopolitischer Komplexität Lösungen schaffen kann, die lokal anpassbar und global wettbewerbsfähig sind. Das ist kein Widerspruch, sondern ein Modell für die Zukunft. Digitale Souveränität bedeutet schließlich nicht Autarkie um jeden Preis. Vielmehr bedeutet sie, dass Unternehmen bewusst entscheiden können, wie sie ihre Anwendungen umsetzen und wem sie vertrauen. Souverän ist nicht, wer alles selbst macht. Souverän ist, wer frei wählen kann.
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